Entscheidungsunterstützung bei der Wahl des Studiums
Die Studie „Wirtschaftsingenieurwesen in Ausbildung und Praxis“ richtet sich an Studierende zur Entscheidungsunterstützung bei der Wahl von Studienplatz und -inhalt sowie an Unternehmen als deren potenzielle Arbeitgeber. Es gibt einen umfassenden Überblick über alle deutschen Universitäten, Fachhochschulen/Hochschulen für angewandte Wissenschaften und Berufsakademien / Dualen Hochschulen, an denen der Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen studiert werden kann, über die verschiedenen Tätigkeitsfelder in der Praxis, Berufschancen und Karriereentwicklungen.
Neben der Beschreibung von aktuellen Studieninhalten und Strukturen an Universitäten und Fachhochschulen sowie der Anforderungen und Einschätzungen der Unternehmen ist die Herausforderung für die neue Auflage des Berufsbildes, die neue Vielfalt der Studienpotenziale für das Wirtschaftsingenieurwesen an Universitäten und Fachhochschulen aufzunehmen und zu integrieren. Weiterhin ist die Fortentwicklung von neuen Aufgabenfeldern für Wirtschaftsingenieure in der Praxis zu erfassen und der Erfolg der Angebote in den Bachelor- und Masterstudiengängen zu beschreiben.
85 Jahren für die Belange des Studiengangs und der Wirtschaftsingenieure
Das Berufsbild „Wirtschaftsingenieurwesen in Ausbildung und Praxis“ wird vom Verband Deutscher Wirtschaftsingeneiure e.V. seit 1972 in der nunmehr 14., vollständig überarbeiteten und erweiterten Auflage herausgegeben, eine zentrale Aufgabe des Verbandes, der sich seit über 85 Jahren für die Belange des Studiengangs und der Wirtschaftsingenieure einsetzt. Seit über 30 Jahren wird die Studie von Helmut Baumgarten geleitet und betreut, dieses Mal mit dem erweiterten Autorenteam Wolf-Christian Hildebrand, Christian von Hirschhausen und Burkhard Schmager an seiner Seite.
Professor Helmut Baumgarten war Gründer und langjähriger Leiter des Bereichs Logistik an der Technischen Universität Berlin sowie Vorsitzender der Gemeinsamen Kommission Wirtschaftsingenieurwesen (GKWi). Über die TU Berlin hinaus war er an der Entwicklung des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen maßgeblich beteiligt, unter anderem als Vorstandsvorsitzender und langjähriges Vorstandsmitglied des VWI. Wolf-Christian Hildebrand ist Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Logistik und Organisation, und Studiendekan am Fachbereich Wirtschaft der FH Brandenburg, Christian von Hirschhausen ist Professor für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik an der TU Berlin und hat Forschungsprofessuren am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) inne. Burkhard Schmager ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Produktionsmanagement, an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena und war dort viele Jahre als Prorektor für Studium und Lehre tätig. Er vertritt den Fakultäts- und Fachbereichstag Wirtschaftsingenieurwesen der Fachhochschuldekane im Rahmen dieser Berufsbildstudie und führt das bewährte kooperative Konzept der Untersuchung gemeinsam mit dem Autorenteam in der aktuellen Auflage fort.
In der Praxis liegen Wirtschaft und Technik eng beieinander, noch mehr: Das eine ist mit dem anderen aufs Innigste verbunden. Nur mithilfe der Technik ist es der Wirtschaft möglich, ihre Aufgaben zu erfüllen. Andererseits kann die Technik den Inhalt ihres Könnens nur durch die Wirtschaft ausschöpfen. Beide durchdringen sich gegenseitig: Sie bilden ein unlösbares Ganzes.
Mit diesen einführenden Worten beginnt das erste deutschsprachige Buch zum Ausbildungskonzept des Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen, „Ingenieur und Wirtschaft: Der Wirtschaftsingenieur“, aus dem Jahr 1930. Sein Autor, Professor Willi Prion (1879– 1939), gilt als der Begründer des Wirtschaftsingenieurwesens in Deutschland. Da eine technische Betrachtung der Wirtschaft für Prion ebenso wenig denkbar war wie eine rein wirtschaftliche Behandlung der Technik, war die parallele Einführung in zwei unterschiedlichen Denk- und Handlungsweisen für Prion bei der Etablierung des neuen Lehrkonzepts von zentraler Bedeutung. Anlass war der erkannte Mangel an Führungskräften im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Technik. Zu Beginn waren zwar weder die Wirtschafts- noch die Ingenieurwissenschaftler begeistert, doch lag diese Skepsis am Bereichsdenken, das es gerade durch das Reformkonzept in Wirtschaft und Technik zu überwinden galt. 1926 legte er den ersten Studienplan vor, in dem technische und kaufmännische Inhalte parallel vermittelt wurden. Noch im gleichen Jahr, zum Wintersemester 1926/1927, immatrikulierten sich die ersten 51 Studierenden im Studiengang „Wirtschaft mit Technik“ an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, dem Vorläufer des heutigen Studiengangs Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Berlin. Das Curriculum des Studiengangs hat sich seit den Anfangsjahren naturgemäß verändert; Fächer wie Rechnungswesen, Mechanik und Wärmelehre sind aber bereits seit fast 90 Jahren Teil der Grundlagenausbildung der Studierenden des Wirtschaftsingenieurwesens.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte Professor Horst Wagon (1909–1987), der Mentor des Studiengangs zu dieser Zeit, an der Technischen Universität Berlin das sogenannte Berliner Modell des Wirtschaftsingenieurwesens weiter, was gleichzeitig Vorbild wurde für viele nachfolgende Universitäten und später auch Fachhochschulen. Das Berliner Modell wird geprägt durch das simultane Studium ingenieur- und wirtschaftswissenschaftlicher Fächer. Nach Berlin zuerst aufgenommen wurde das Modell von der damaligen Technischen Hochschule Darmstadt, heute Technische Universität Darmstadt, sowie Ende der 1960er-Jahre durch die Universitäten Karlsruhe und Braunschweig. Der Durchbruch des Studiengangs in der Hochschullandschaft erfolgte in einer ersten Phase in den 1970er- und 1980er-Jahren, wo zunehmend Hochschulen dem innovativen Konzept des interdisziplinären Studiums Wirtschaftsingenieurwesen folgten. In den 1990er-Jahren erfolgte nicht zuletzt durch die Wiedervereinigung ein enormer Zuwachs an Studienangeboten an Universitäten, insbesondere aber auch an Fachhochschulen. Dazu zählt auch die Überführung des in der DDR verbreiteten Studiengangs Ingenieurökonomie in das Wirtschaftsingenieurwesen. Seit Beginn des neuen Jahrtausends wurde auch im Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen die 1999 im Rahmen des Abkommens von Bologna beschlossene Überführung der traditionellen Diplomstudiengänge in das gestufte Studienmodell mit den Abschlüssen Bachelor und Master umgesetzt.
Parallel zu der Entwicklung des Simultanstudiengangs wurden an einigen Universitäten und Fachhochschulen Aufbaustudiengänge eingeführt, so an den Universitäten Aachen, München und Kaiserslautern. Aufbaustudiengänge zeichnen sich im Regelfall aus durch ein ingenieurwissenschaftliches Studium, was durch ein vier- bis sechssemestriges wirtschaftswissenschaftliches Studium ergänzt wird. Diese aufeinanderfolgende Form des Studiums hat sich jedoch nicht durchgesetzt und ist in den letzten Jahren sehr stark zurückgegangen. Aufbaustudiengänge wurden dabei vielfach durch Simultanstudiengänge ersetzt, so in Aachen und Kaiserslautern.
In den letzten Jahren hat sich das Studienangebot vervielfacht, mittlerweile kann der Studiengang an 32 Universitäten und fast 120 Fachhochschulen und Berufsakademien studiert werden. Dies geschieht auch in einer wachsenden Vielfalt an Studienrichtungen wie beispielsweise Informations- und Kommunikationssysteme, Energietechnik, Gesundheitstechnik, Produktions- oder Umwelttechnik, die insbesondere den gesellschaftlichen Megatrends der nächsten Jahrzehnte Rechnung tragen. Heute kann der Studiengang in einer breiten Variantenvielfalt zwischen Präsenz- und Fernstudium, in Voll- oder Teilzeit sowie in dualen Ausbildungsmodellen studiert werden.
Die Zahl der Studienanfänger steigt stetig, fast 20.000 Studienanfänger nehmen jedes Jahr das Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an einer Universität, Fachhochschule oder Berufsakademie auf. Die Zahl hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre entgegen dem Trend in anderen Ingenieurwissenschaften mehr als verdoppelt. Insgesamt sind fast 100.000 Studierende in einem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingeschrieben, der Studiengang zählt damit in der Zwischenzeit zu den fünf stärksten Studiengängen Deutschlands.
Vor dem Hintergrund der globalen Megatrends und zunehmenden Verzahnung globaler Wertschöpfungsketten wird auch zukünftig die Nachfrage nach Generalisten, ausgebildet an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik in der Tradition von Willi Prion, zunehmen.